08.05.2024 14:24 Uhr

Dem FC Bayern droht ein superteures Missverständnis

Min-jae Kim kommt beim FC Bayern einfach nicht in Fahrt
Min-jae Kim kommt beim FC Bayern einfach nicht in Fahrt

Stolze 50 Millionen Euro nahm der FC Bayern im vorigen Sommer in die Hand, um Abwehr-Star Min-jae Kim nach einer überragenden Saison vom damaligen italienischen Meister SSC Neapel loszueisen. Die Hoffnung war groß, in dem Südkoreaner einen Stabilisator für die Defensive gefunden zu haben. Seither ist ein knappes Jahr ins Land gezogen - und die anfängliche Begeisterung Ernüchterung gewichen. Fehlerhaft und ohne jedes Selbstvertrauen droht der 27-Jährige zu einem superteuren Missverständnis zu werden.

Thomas Tuchels Worte nach dem 2:2 des FC Bayern im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Real Madrid ließen aufhorchen.

Obwohl seine Mannschaft gegen die Königlichen über weite Strecken überzeugt hatte, konnte der scheidende Trainer nicht anders, als einen seiner Schützlinge anzuzählen.

Erst in der Kabine, wo sich Tuchel den vom Abwehr-"Monster" zum Fehlerteufel mutierten Min-jae Kim laut Kapitän Manuel Neuer zur Brust nahm. Dann in aller Öffentlichkeit. "Viel zu gierig" habe der Innenverteidiger agiert, wiederholte Tuchel immer wieder bei der Nachbetrachtung der entscheidenden Szenen, die zu den beiden Gegentoren führten.

Auch Matthias Sammer sah es mit Grausen. Er müsse gerade an seinen Vater Klaus denken, erzählte der TV-Experte bei "Prime Video", "der war früher Vorstopper". Und Sammer senior habe stets um die wichtige "Regel für die Abwehr" gewusst: "Nicht locken lassen."

Kim tat es dennoch. Tuchel zufolge spekulierte der erfahrene Nationalspieler "zu aggressiv auf die Balleroberung" und wurde "in der Konterbewegung erwischt".

Auch wenn der Übungsleiter zwei Tage später verbal zurückruderte und Kim grundsätzlich sein Vertrauen aussprach, hat er doch deutlich gemacht, was hinter den Kulissen beim FC Bayern mehrere Entscheidungsträger denken sollen: In seiner derzeitigen Form ist der teure Neuzugang keine große Hilfe.

FC Bayern: Min-jae Kim kann Ausfall von de Ligt nicht kompensieren

Zuweilen wirkt es, als habe Kim noch immer das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Seinem Ruf als bestem Abwehrspieler der Serie A ist er seit seinem Wechsel noch nicht gerecht geworden - im Gegenteil. Immer wieder leistet sich der Rechtsfuß schlimme Aussetzer.

"Das gehört zum Fußball dazu", beschwichtigte Neuer und versprach: "Wir fangen ihn auf." Doch auch bei der folgenden 1:3-Niederlage in der Bundesliga beim direkten Konkurrenten VfB Stuttgart machte Kim keine sonderlich gute Figur. Von sport.de gab's die Note 4,5.

Fakt ist: Den Ausfall des am Knie verletzten Niederländers Matthijs de Ligt konnte Kim zuletzt nicht einmal ansatzweise kompensieren, von allen Seiten hagelt es Kritik.

In der Hinserie war der Südkoreaner in der Viererkette noch neben Dayot Upamecano gesetzt gewesen, im neuen Jahr wurden sie von de Ligt und Winterzugang Eric Dier dann aber auf die Bank verdrängt.

Gerüchte um schnellen Kim-Abschied vom FC Bayern

Nicht unbedingt einfacher wird die Situation durch Kims sensibles Gemüt. Der Innenverteidiger sei "niedergeschlagen" und "sehr, sehr traurig", enthüllte "Bild"-Reporter Tobias Altschäffl unlängst im Podcast "Bayern Insider".

Wenig überraschend machen daher schon Gerüchte um einen vorzeitigen Abgang des noch bis 2028 gebundenen Sorgenkinds die Runde. Speziell die SSC Neapel probiere "immer wieder", Kim zurück an den Vesuv zu locken, heißt es.

Parallel dazu wurde das Interesse des FC Bayern an Leverkusens Jonathan Tah öffentlich. Sollte der deutsche Nationalspieler an der Isar aufschlagen, müsste im Kader Platz geschaffen werden. Die ersten Verkaufskandidaten wären dann wohl Upamecano - und Kim.

Min-jae Kim droht beim FC Bayern wieder die Bank

Bisher soll Kim allerdings keinerlei Fluchtgedanken hegen und darauf hoffen, besser integriert zu werden und mehr Rückhalt aus dem Verein zu erhalten. Er strebe mehr Gespräche mit dem Trainer und seinen Mitspielern an, ist zu hören.

Bewegung dürfte in die Personalie ohnehin erst kommen, wenn ein Nachfolger für Tuchel gefunden wurde und ebenjener seine Pläne mit Kim kommuniziert hat. Womöglich könnten seine Aktien unter einem anderen Coach wieder steigen.

Fraglich ist unterdessen, ob Kim bis zur nahenden Sommerpause überhaupt noch Gelegenheit haben wird, sich auf dem Platz zu beweisen.

Konkurrent de Ligt ist zurück im Training und für das Rückspiel gegen Real voraussichtlich fit, seinem Stellvertreter bliebe im Falle eines rechtzeitigen Comebacks nur die Rückkehr auf die Ersatzbank.

Und von dort aus würde es für Min-jae Kim schwer, den Nachweis zu erbringen, dass die für ihn gezahlten 50 Millionen Euro für den FC Bayern keine Fehlinvestition waren.

Heiko Lütkehus (mit "AFP"-Material)