08.05.2024 13:30 Uhr

BVB will "alte Rechnung begleichen"

Der BVB feierte gegen PSG eine magische Nacht. Jetzt soll in Wembley der Champions-League-Titel her
Der BVB feierte gegen PSG eine magische Nacht. Jetzt soll in Wembley der Champions-League-Titel her

Die überglücklichen Champions-League-Helden von Borussia Dortmund schwebten nach einer wilden Party-Nacht im doppelten Sinne über allen Wolken - vorher legten sie gemeinsam ihren Pariser Schwur für Wembley ab.

"Jetzt müssen wir das Ding auch holen!", sagte der tief berührte Marco Reus vor dem Einstieg in die Sondermaschine EW1909 auf seiner allerletzten BVB-Mission: "Sonst wäre es echt scheiße."

Die ikonischen Bilder eines großen Europapokal-Abends flackerten auch am Morgen danach noch vor den Augen. Reus mit Megafon inmitten der Kurven-Ekstase. Klick. Jadon Sancho mit fetter Boom-Box auf der Schulter, "Someone Like You" von Adele grölend. Klick. Busfahrer "Schulle" flitscht halbnackt über den Kabinentisch. Klick. Hans-Joachim Watzke und Edin Terzic, Stirn an Stirn wie Verliebte vor dem Eiffelturm. Mats Hummels, der mit irrem Blick auf die Kamera zustürmt wie einst Diego Maradona. Klick-klick.

"In der Kabine war die Hölle los", berichtete Sportdirektor Sebastian Kehl nach dem Triumph über Paris St. Germain im Prinzenpark, "laute Musik, Alkohol, alles."

Nach Champions-League-Finaleinzug: BVB feiert wilde Nacht in Paris

Ab 1.00 Uhr ging es bei Pizza und Burgern im Fünf-Sterne-Palast Domaine Reine Margot weiter, wo sich unter fachgerechter Anleitung von Feiermeister Alex Meyer nicht nur der Vereinsboss Watzke "mit großer Freude zwei Gläser Rotwein" genehmigte, wie er dem "SID" berichtete.

Kapitän Emre Can sprach aus, was viele Spieler in ihren "Yellow Wonderwall"-Shirts loswerden wollten: "Jetzt dürfen die Kritiker auch mal die Schnauze halten."

Wer diesen erratisch-begeisternden BVB vom ersten Spieltag an durch die Bundesliga-Saison begleitet hat, für den ist der Einzug ins Champions-League-Finale so etwas wie das achte Weltwunder. Die Pyramiden von Gizeh, der Tempel von Artemis, Borussia Dortmund in Wembley. Wie in aller Welt war das möglich?

So: Diese Mannschaft hat bei allen Schwächen in schnöden Heidenheim-Spielen einen brillanten Geist entwickelt, eine sprühende Leidenschaft, die stärker ist als die überlegene individuelle Klasse der Gegner - freilich bleibt dieses Urteil kurioserweise auf das Königsparkett beschränkt.

Kein Gegentor gegen Paris St. Germain in 180 Minuten, dafür beispielsweise sieben Stück von RB Leipzig: Die Schere bleibt unerklärlich. Aber danach fragt jetzt niemand mehr.

"Wir sind mit jedem Spiel gewachsen. Das ist einfach pure Freude und ganz, ganz, ganz viel Stolz", sagte Trainer Terzic, der wie so viele mit den Tränen kämpfte.

Unfassbares Alu-Pech besiegelt PSG-Aus

Hinzu kommt das Gefühl, dass der liebe Herrgott den BVB in dieser Saison segnen will - vielleicht als Ausgleich für die dramatisch verspielte Meisterschaft im vergangenen Jahr? Jedenfalls traf PSG in zwei Spielen sagenhafte sechsmal das Aluminium. Klonk!

Der Pfosten sollte als "Spieler des Tages" vom "kicker" geehrt werden, mit Note 1,0 - "Stand unerschütterlich da, wo er stehen musste." Sie sollten ihn mit Gold übergießen und ins Borusseum stellen.

Erstaunlicherweise jedoch war das Dortmunder "Glückstor" am Mittwoch immer noch fest im Pariser Stadionrasen verankert: "Wir sollten es vielleicht abbauen und mitnehmen", hatte Sebastian Kehl gesagt. "Vielleicht brauchen wir es in Wembley noch mal."

Wembley! Der magische Sehnsuchtsort. Dort verlor der BVB 2013 gegen den FC Bayern, er hat mit der heiligen Kathedrale des Fußballs noch etwas offen. "Wir können dort eine alte Rechnung begleichen", betonte Kehl, der damals noch als Spieler dabei war.

Hummels und Reus standen vor elf Jahren auf dem Platz, auch die heutigen Co-Trainer Sven Bender und Nuri Sahin kämpften vergeblich um die allerhöchste Weihe. Der neue Sport-Geschäftsführer Lars Ricken führte die schwarzgelben Heerscharen im legendären Rahmenprogramm ins Feld, in der Nacht scherzte er nun: "Nicht zu lang. Voller Fokus auf Mainz."

In den kommenden dreieinhalb Wochen muss der BVB die Spannung für ein hochexplosives Finale halten. Die große Hoffnung ist, dass auch dort "das Glück den Mutigen hilft", wie die italienische Zeitung "La Repubblica" in ihrer Eloge schrieb: "Borussia Dortmund, eine der leidenschaftlichsten Mannschaften des Universums, die allein deswegen alle Geschenke aus dem Himmel verdient." Amen.